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Finanzgericht BaWü: Werbungskosten für berufsbegleitendes Erststudium Druckansicht
Finanzgericht Baden-Württemberg 4. Senat

Urteil vom 29. Februar 2000

4 K 344/98

Berufsausbildung oder Fortbildung im ausgeübten Beruf bei Studium zum Betriebswirt (FH) eines technischen Betriebswirts

Leitsatz


Ein berufsbegleitendes Erststudium eines technischen Betriebswirts (IHK) zum Diplom-Betriebswirt (FH) an einer Fachhochschule ist nicht ausnahmslos als Berufsausbildung zu beurteilen (Abweichung von BFH-Urteil vom 17. April 1996 VI R 94/94, BFHE 180, 341, BStBl II 1996, 450).

Orientierungssatz


Revision eingelegt (Az. des BFH: VI R 113/00).

Tatbestand


Die Beteiligten streiten lediglich noch darüber, ob Aufwendungen für berufliche Bildungsmaßnahmen als Werbungskosten unter dem Gesichtspunkt von Fortbildungskosten unbeschränkt abzugsfähig sind oder ob statt dessen von beschränkt als Sonderausgaben abzugsfähigen Ausbildungskosten auszugehen ist.

Der ... geborene verheiratete Kläger (Kl.) war bis zum Frühjahr des ersten Streitjahres 1995 nach einer Ausbildung zum Fernmeldehandwerker - und nach Ablegung des Abiturs am technischen Gymnasium in ... - mehrere Jahre zunächst als Kundendiensttechniker tätig. Nach einer berufsbegleitenden Weiterbildung mit Prüfungsabschluß zum technischen Betriebswirt (IHK) - Schwerpunkt Organisation und Rechnungswesen - wechselte er im Juni 1995 zu seinem neuen Arbeitgeber als Sachbearbeiter im Rechnungswesen (Datenaufbereitung). Einige Monate vor diesem Wechsel nahm er ein berufsbegleitendes Studium zum Diplom- Betriebswirt (FH) an der Fachhochschule ... auf, das er im September 1998 erfolgreich abschloß. Nach Abschluß der Diplomarbeit wurde er bei seinem Arbeitgeber mit der Position des "Produktmanager Statistik" betraut. Hinsichtlich der ihm durch den Arbeitgeber übertragenen Aufgabenbereiche wird auf die Äußerung der Arbeitgeberfirma vom 30. April 1998 und die Darstellung des Kl. über dessen Lebenslauf vom 22. April 1999, die durch das Finanzamt (FA) inhaltlich nicht bestritten wird, Bezug genommen.

In seinen Einkommensteuer(ESt)-Erklärungen 1995 und 1996 machte er folgende Aufwendungen als Werbungskosten (Fortbildungskosten) geltend:

Streitjahr 1995 Seminar- und Prüfungsgebühren ... DM 18 Fahrten zum Unterricht (... km a 1,04 DM) ... DM 7 Fahrten zu Prüfungen (... km a 1,04 DM) ... DM ------ zusammen ... DM Streitjahr 1996 Seminargebühren ... DM 26 Fahrten zum Unterricht ... DM 4 Fahrten zu Prüfungen ... DM Fachbücher ... DM ------ zusammen ... DM.

In den ESt-Bescheiden jeweils vom 6. März 1998 berücksichtigte das FA lediglich ... DM der Aufwendungen als Sonderausgaben, da es sich um Ausbildungskosten für einen angestrebten Beruf mit der Verleihung eines akademischen Grades, Betriebswirt (FH), handele.

Die Einsprüche der Kl. wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 1998 zurück. Im Anschluß an die hiergegen durch ihren damaligen Prozeßbevollmächtigten rechtzeitig erhobenen Klage tragen die Kl. im wesentlichen vor:

Das Studium des Kl. zum Diplom-Betriebswirt (FH) sei kein Erststudium, sondern ein Aufbaustudium auf den bereits 1993 abgeschlossenen Beruf als technischer Betriebswirt (IHK) mit dem Schwerpunkt Organisation und Rechnungswesen, dem Tätigkeitsfeld, in dem der Kl. nach wie vor - seit Juni 1995 - tätig sei. Das ergänzende Studium in ... sei deshalb mit einem Zweitstudium vergleichbar. Die hierfür entstandenen Aufwendungen, welche der Höhe nach unstreitig sind, stellten demzufolge als Werbungskosten unbeschränkt abziehbare Fortbildungskosten dar.

Auf den Schriftsatz vom 29. März 1999 und den Inhalt der Niederschrift des Erörterungstermins vom 20. Juli 1999 wird Bezug genommen.

Die Kl. beantragen dementsprechend,

die ESt-Bescheide 1995 und 1996 vom 6. März 1998 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidungen vom 1. Oktober 1998 abzuändern und dabei unter Verminderung der Sonderausgaben um jeweils ... DM weitere Werbungskosten in Höhe von ... DM (1995) und von ... DM (1996) steuermindernd zu berücksichtigen.

Der Beklagte - das FA - beantragte hingegen,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist das FA auf die Ausführungen auf Seiten 4 - 6 der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 1998.

Entscheidungsgründe Die Klage ist begründet.

Das FA hat die durch den Kl. unstreitig aufgewendeten Kosten für das Fachhochschulstudium zu Unrecht nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Denn das berufsbegleitende Studium ist nicht als Berufswechsel in einen neuen (anderen) Beruf - und damit als (weitere) Berufsausbildung - sondern als Fortbildungsmaßnahme, die durch den bereits ausgeübten Beruf veranlaßt ist, zu werten.

Ein Erststudium an einer Fachhochschule ist zwar grundsätzlich - ebenso wie ein Erststudium an einer klassischen Hochschule (Universität) - als Berufsausbildung zu beurteilen. Die hierfür entstandenen Aufwendungen stellen Kosten der allgemeinen Lebensführung dar, die nur in beschränktem Umfang als Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG) abziehbar sind (grundlegend Bundesfinanzhof - BFH - Urteil vom 16. 3. 1967 IV R 266/66, BStBl II 1967, 723 zu Hochschulstudium; bestätigt u. a. durch Urteil vom 26. 4. 1989, VI R 95/85, BStBl II 1989, 616 und BFH-Urteil vom 28. 9. 1984, VI R 44/83, BStBl II 1985, 94 - vgl. ferner Einkommensteuerrichtlinien H 103). Gleiches soll nach Auffassung des BFH auch für den Fall der erstmaligen Aufnahme eines Fachhochschulstudiums erst nach einem Berufsabschluß und während einer anschließend bereits ausgeübten Berufstätigkeit gelten (BFH-Urteil vom 28. 9. 1994, VI R 44/83, a. a. O., bestätigt durch Urteil vom 17. 4. 1996, VI R 94/94, BStBl II 1996, 450 - zu Betriebswirtschaftsstudium eines als Revisor tätigen Sparkassenwirts; ferner BFH-Urteil vom 16. 1. 1998, VI R 92/96 in BFH/NV 1998, 844). Im Hinblick auf den zu beachtenden Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und den Umstand, dass ein (Fach)- Hochschulstudium regelmäßig eine neue Grundlage für einen höherrangigen Beruf - im Vergleich zu der bisher ausgeübten Berufstätigkeit - schaffe, müsse die steuerliche Beurteilung der Aufwendungen für ein Erststudium einheitlich - und mithin unabhängig von der zeitlichen Abfolge sowie dem Anlaß und Inhalt des Studiums - erfolgen.

Der Senat ist indessen der Auffassung, dass der Rechtsgrundsatz der einheitlichen Beurteilung von Aufwendungen für ein Erststudium als Berufsausbildungsmaßnahme nicht ausnahmslos und uneingeschränkt Geltung beanspruchen kann. Vielmehr hält es der Senat für richtig, nach dem Zweck des Fachstudiums, dessen Inhalt im Vergleich zu der ausgeübten Berufstätigkeit und der Art der Fortführung der Tätigkeit nach Abschluß des Studiums zu differenzieren. Bezweckt das Studium die Vorbereitung auf einen künftigen Berufswechsel - oder dient umgekehrt die Berufstätigkeit lediglich als "Finanzierungsinstrument" für einen mit Hilfe des Studiums von vornherein erstrebten Beruf - liegt Berufsausbildung vor, weil damit erst die eigentliche Berufsgrundlage geschaffen wird. Wird dagegen mit dem Studium ein breiteres und / oder vertieftes Wissen im Berufsfeld des bereits praktizierten Berufs, auch um ggf. Aufstiegsmöglichkeiten wahrnehmen zu können, bezweckt und bleibt der Arbeitnehmer anschließend in der gleichen Berufssparte tatsächlich tätig, müssen die Studienaufwendungen als Fortbildungskosten (Werbungskosten) beurteilt werden. Denn bei einer derartigen Sachverhaltsgestaltung sind die Aufwendungen durch die erstrebte - ggf. künftig verbesserte - Einkunftserzielung im Bereich des ausgeübten Berufs veranlaßt. Das Schwergewicht für den Anlaß der Bildungsmaßnahme liegt dann gerade nicht auf der Schaffung der eigentlichen (erstmaligen oder weiteren) Berufsgrundlage - durch die nach der gesetzgeberischen Vorstellung erst "eine selbständige, gesicherte Lebensstellung erworben werden soll" (so Bundestagsdrucksache V 3430, S. - sondern zielt auf die Verbesserung der bereits bestehenden beruflichen Situation. Der Senat folgt damit im Ergebnis der Auffassung von Drenseck (in Schmidt, Kommentar zum EStG, 18. Aufl. RdNr. 60 zu § 19 EStG, ABC der Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit, Stichwort "Ausbildungskosten" ;) und weiteren Stimmen in der Rechtsprechung der Finanzgerichte, die ebenfalls eine unterschiedliche Betrachtung, je nach Inhalt und Anlaß des Studiums für zutreffend halten und dementsprechend ein erstmaliges Fachhochschulstudium nicht wie der Bundesfinanzhof typisierend und letztlich ausnahmslos als Berufsausbildung ansehen (Niedersächsisches FG Urteil vom 6. 8. 1997, XIII R 525/93, EFG 1998, 640; FG Nürnberg, Urteil vom 4. 3. 1998 III 75/97, EFG 1998, 1511 - ferner auch FG Baden-Württemberg Urteil vom 13. 1. 1998 1 K 23/95, EFG 1998, 641, in dem an Hand der Umstände des Einzelfalles geprüft wird, ob durch das Studium ein anderes Berufsfeld erschlossen wurde).

Durch Gedanken, die der BFH in der neueren Rechtsprechung des 4. Senats zur steuerlichen Beurteilung von Aufwendungen eines Zweitstudiums auf dem Sektor der Betriebswirtschaft entwickelt hat (hierzu BFH-Urteil vom 19. 6. 1997 IV R 4/97, BStBl II 1998, 239), sieht sich der Senat in seiner Auffassung im Ergebnis bestätigt. Der BFH hat dort ausdrücklich und entscheidend auf die subjektiven Zielvorstellungen abgestellt, die mit dem Studium verwirklicht werden sollten und darüber hinaus die tatsächliche Fortführung der Tätigkeit auf dem schon vor dem Zweitstudium ausgeübten Berufsfeld betont (zu 1 c und 2 c der Urteilsgründe). Die Aufwendungen für das Betriebswirtschaftsstudium eines Bauingenieurs wurden deshalb - unbeschadet der nach Abschluß des Studiums zweifelsfrei bestehenden objektiven Möglichkeit des Wechsels in eine "vollständige andere Berufssparte" - als Fortbildungskosten - anerkannt. Die gleichen Maßstäbe müssen bei einem erstmaligen BWL- Fachstudium angelegt werden, wenn - wie im Streitfall - der Arbeitnehmer bereits auf einem (Teil-) Gebiet der Betriebswirtschaft nach einer vorangegangenen abgeschlossenen Ausbildung als technischer Betriebswirt aktiv tätig ist und diese Tätigkeit auf dem gleichen beruflichen Gebiet nach Abschluß des Fachhochschulbesuchs im wesentlichen fortsetzt. Auch der nicht akademisch vorgebildete Arbeitnehmer muß sich in vergleichbarer Weise an die sich ändernden Bildungsanforderungen des Arbeitsmarktes anpassen. Es ist deshalb kein überzeugender Grund ersichtlich, Aufwendungen für entsprechende Weiterbildungsmaßnahmen zum Nachteil des Arbeitnehmers allein deshalb anders zu werten, weil die den Wissensstand erweiternden Kenntnisse nur mit Hilfe eines Fachhochschulabschlusses zu erwerben sind.

Nach dem Sachverhalt des vorliegenden Streitfalles hatte der Kl., nachdem er zunächst mehrere Jahre als Kundendiensttechniker tätig war, sein geändertes Berufsziel, eine Tätigkeit auf dem kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Gebiet auszuüben, nach Abschluß der IHK-Schulung (gewählter Schwerpunkt Organisation und Rechnungswesen) zum technischen Betriebswirt in 1993 erreicht. Er war aufgrund dessen seit Juni 1995 nach einem Wechsel des Arbeitnehmers als Sachbearbeiter im Rechnungswesen der Fa. ... tätig und beschäftigte sich dort insbesondere mit Gebührenabrechnung, Zahlungsverkehr und Erstellung von Statistiken. Das begleitend aufgenommene Studium zum Diplom- Betriebswirt (FH) an der Fachhochschule ... vermittelte dem Kl. zwar - wie der Kl. in der mündlichen Verhandlung auch bestätigte - ein deutlich breiteres und tieferes Wissen auf dem kaufmännischen Sektor gegenüber dem bereits erworbenen betriebswirtschaftlichen Fachwissen im Zuge der IHK-Ausbildung zum technischen Betriebswirt. Der Kl. erstrebte damit aber nach der Überzeugung des Senats keinen (weiteren) Berufswechsel in ein anderes Gebiet der Betriebswirtschaft außerhalb seiner bisherigen Tätigkeit, sondern verfolgte damit die Festigung seiner Stellung und einen möglichen Aufstieg im Bereich seines Tätigkeitsfeldes bei seinem Arbeitgeber. Dies ergibt sich insbesondere daraus, daß der Kl. sowohl vor als auch nach der Weiterbildung zum Betriebswirt (FH) bei seinem Arbeitgeber im weitesten Sinne mit der Aufbereitung statistischer Erhebungen betraut war (als Sachbearbeiter z. B. mit der Aufgabe: Erstellung von Standard- und Sonderstatistiken für Bank und Handelsketten und danach als "Produktmanager Statistik": Auswahl und Einführung von Softwareprodukten für die Statistik, erschließen neuer Kundenpotentiale für die Statistik.

Mit dem nach Studienabschluß erfolgten Aufstieg zum "Produktmanager für in- und externes Kundenreporting" war keine mit der bisherigen Stellung nicht mehr vergleichbare herausgehobene Position - etwa mit weitreichender Leitungsfunktion und entsprechend erweitertem Gehaltsgefüge - verbunden. Vielmehr setzte der Kl. seine bisherige berufliche Laufbahn im gleichen Berufsfeld - wenn auch mit erweiterter Funktion, wie z. B. Weisungsbefugnis gegenüber Mitarbeitern des eigenen Teams, verantwortliche Einweisung von abteilungsfremdem Fachpersonal - bei dem gleichen Arbeitgeber ohne entscheidende Verbesserung seiner Bezüge (nach seinen unbestrittenen Angaben in der Größenordnung von 10 v. H.) fort. Unter diesen besonderen Umständen aber ist die berufliche Weiterbildungsmaßnahme des Kl. als einkunftsrelevante Fortbildung im ausgeübten Beruf zu beurteilen.

Der Klage war sonach stattzugeben. Die angefochtenen Steuerbescheide 1996 sind mit der Maßgabe abzuändern, daß einerseits weitere Werbungskosten in der durch den Kl. beantragten Höhe von ... DM in 1995 und von ... DM in 1996 zu berücksichtigen und andererseits die Sonderausgaben in den beiden Streitjahren jeweils um ... DM zu vermindern sind. Die aufgrund dessen erforderliche Neuberechnung der ESt 1995 und der ESt 1996 wird gemäß § 102 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der beklagten Behörde übertragen.

Da die Kl. mit ihrem Begehren obsiegt haben, waren die Verfahrenskosten dem FA gemäß § 135 FGO aufzuerlegen.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO. Der erkennende Senat weicht mit seiner Entscheidung von dem durch den BFH aufgestellten und beibehaltenen Rechtsgrundsatz ab, wonach Aufwendungen für ein Erststudium an einer Fachhochschule typisierend als Berufsausbildung zu werten sind und damit ein Abzug als Werbungskosten unter dem Gesichtspunkt beruflich veranlaßter Fortbildungskosten von vornherein ausscheidet (z. B. BFH-Urteil vom 17. 4. 1996 VI R 94/94, BStBl II 1996, 450).

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