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Kündigungsschutz: Ausländische Arbeitgeber müssen deutschen Betrieb unterhalten

Kündigungsschutz, Ausländische Arbeitgeber
Andere Länder, andere Sitten. Für ausländische Arbeitgeber ist es oft besonders schwierig, bei der Beschäftigung von Mitarbeitern die Folgen des deutschen Kündigungsschutzes zu kennen. In der Praxis fehlt vielen ausländischen Arbeitgebern deswegen das Problembewusstsein, weil es einen vergleichbaren gesetzlichen Kündigungsschutz im Land des eigentlichen Firmensitzes gar nicht gibt. Ganz anders die Arbeitnehmer: Kaum haben die Mitarbeiter in Deutschland ihre Arbeit aufgenommen, kennen Sie sich mit den Vorteilen des Kündigungsschutzes auch schon bestens aus. Oder glauben es zumindest.

Der gesetzliche Kündigungsschutz ist in Deutschland nämlich nicht nur ein heikles, sondern vor allem auch ein kompliziertes Thema. Die Grundvoraussetzungen sind meist verständlich und deswegen auch nicht umstritten. Anders aber, wenn es um die Details geht. Wie etwa bei der Frage, was ein Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) ist. Nach dem Gesetz findet der Kündigungsschutz nämlich nur auf Betriebe Anwendung, die eine gewisse Zahl von Mitarbeitern beschäftigen. Früher lag diese Grenze bei 5 Mitarbeitern. Jetzt gilt der allgemeine Kündigungsschutz erst bei mehr als 10 Arbeitnehmern. Arbeitnehmer, die bereits vor dieser Erhöhung des Grenzwertes allgemeinen Kündigungsschutz genossen, verlieren diesen nicht durch die Anhebung des Schwellenwertes. Welche Mitarbeiter gezählt werden müssen, richtet sich aber unter anderem auch danach, ob sie überhaupt innerhalb eines Betriebes beschäftigt sind.

Arbeitgeber aus dem Ausland: Kündigungsschutz ist meist ein Fremdwort

Dieser einheitliche gesetzliche Betriebsbegriff beschäftigte nun auch das Bundesarbeitsgericht in Erfurt. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter hatten einen Fall zu entscheiden, in dem eine in England ansässige Consulting-Firma. Weil das Beratungsgeschäft aber inzwischen international ist, unterhielt die englische Firma auch ein Büro in Deutschland, wenn auch ein sehr kleines: De facto bestand die deutsche Niederlassung nämlich nur aus einem Briefkasten mit Firmennamen und einem Telefonanschluss.

Andererseits beschäftigte die englische Firma insgesamt 6 Mitarbeiter in Deutschland, die ihrer Beschäftigung entweder von zu Hause aus nachgingen oder aber unmittelbar beim Kunden eingesetzt wurden. Zu diesen Mitarbeitern zählte auch ein so genannter “Business Development Executive” (BDE), mit anderen Worten also ein für die Geschäftsentwicklung verantwortlicher Mitarbeiter. Mit diesem bestand ein in englischer Sprache gehaltener Arbeitsvertrag, der ihm ein festes Jahresgehalt von knapp 100.000 € plus einer Provision in nochmals gleicher Höhe versprach. Nach mehr als einem Jahr war die lukrative Zusammenarbeit aber beendet. Weil der Mitarbeiter während der Dauer seiner Beschäftigung nicht einen einzigen Kunden Land für seine Arbeitgeberin an Land gezogen hatte, kündigte die verhaltensbedingt, weil der Mitarbeiter weniger als eine durchschnittliche Arbeitsleistung erbracht habe. Die Vorstellung von dem Ende des Arbeitsverhältnisses war allerdings recht einseitig. Der Mitarbeiter hielt die Kündigung für unwirksam und erhob Kündigungsschutzklage.

Betrieb im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes: Nur ein Briefkasten reicht nicht

Er vertrat die Auffassung, dass er unter allgemeinem gesetzlichen Kündigungsschutz stehe. Zum Zeitpunkt seiner Kündigung lag die Schwelle für die Anwendung des Kündigungsschutzes nämlich noch bei 5 Mitarbeitern. Da seine Arbeitgeberin insgesamt aber 6 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigte, sei auf den Betrieb und damit auch auf ihn das gute alte deutsche Kündigungsschutzgesetz anzuwenden. Die Arbeitgeberin aber bestritt, überhaupt einen Betrieb in Deutschland zu betreiben. Sie habe lediglich eine Briefkastenfirma gegründet und nichtmals Büroräume gehabt. Da könne von einem Betrieb keine Rede sein.

Die Bundesrichter schlossen sich dieser Auffassung an und hielten es selber für nicht möglich, dass in einer Briefkastenfirma Kündigungsschutz gelte. Der Betriebsbegriff im Sinne des Gesetzes verlange eine betriebliche Struktur und eine organisatorische Einheit mit entsprechenden Mitteln und Personalressourcen. Maßgeblich sei außerdem, wo die Personalentscheidungen getroffen würden. Die englische Arbeitgeberin habe ihre hierzulande beschäftigten Mitarbeiter zumeist dezentral von zu Hause oder im Betrieb des Kunden selber beschäftigt. Von einer betrieblichen Struktur könne deswegen keine Rede sein. Auch die erforderliche einheitliche Leitungsmacht habe gefehlt, weil die Personalentscheidungen ausschließlich am englischen Sitz der Firma getroffen worden seien. Sie habe deswegen keinen Betrieb unterhalten, so dass die Arbeitsverhältnisse auch nicht unter dem deutschem Kündigungsschutz stünden.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 03.06.2004, Aktenzeichen: 2 AZR 386/03

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