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Verfahrensart für den Unterlassungsanspruch einer Gewerkschaft

Leitsätze

Für den Unterlassungsantrag einer Gewerkschaft, der sich gegen die Durchführung oder den Abschluß von Betriebsvereinbarungen richtet, ist das Beschlußverfahren die zutreffende Verfahrensart.

Tenor

1. Auf die weiteren sofortigen Beschwerden der Arbeitgeberinnen, des Gesamtbetriebsrats und des Betriebsrats wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 13. April 2000 - 6 Ta 80/00 - insoweit aufgehoben, als es über den Antrag zu 4. entschieden hat.

2. Auf die sofortigen Beschwerden der Arbeitgeberinnen, des Gesamtbetriebsrats und des Betriebsrats wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 28. Januar 2000 - 10 BV 138/99 - abgeändert:

Der Antrag zu Nr. 4 wird in das Urteilsverfahren verwiesen.

3. Im übrigen werden die weiteren sofortigen Beschwerden zurückgewiesen.

Gründe
1

A. Die Beteiligten streiten darüber, ob die antragstellende Gewerkschaft von den beteiligten Arbeitgeberinnen verlangen kann, die Durchführung oder den Abschluß bestimmter Betriebsvereinbarungen zu unterlassen.
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Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin ist ein Handelsunternehmen für Photo- und Elektroartikel mit Sitz in S . Sie ist alleinige Gesellschafterin der zu 3) und 4) beteiligten Arbeitgeberinnen. Diese sind durch Ausgliederung aus der Beteiligten zu 2) entstanden. Die Arbeitgeberinnen bilden in S einen Gemeinschaftsbetrieb, für den der zu 5) beteiligte Betriebsrat gewählt ist. Außerdem betreibt die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin bundesweit etwa 185 Verkaufsfilialen. Diese sind gemäß § 3 Abs. 2 BetrVG durch Tarifvertrag fünf Betrieben zugeordnet, für die jeweils Betriebsräte gewählt sind. Diese Betriebsräte sowie der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs haben den zu 6) beteiligten Gesamtbetriebsrat gebildet.
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Die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) hat mit der zu 2) beteiligten Arbeitgeberin Manteltarifverträge, Gehalts- und Lohntarifverträge sowie Tarifvereinbarungen über Urlaubsgeld geschlossen. Mit der Beteiligten zu 3) hat die HBV einen Anschlußtarifvertrag vereinbart.
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Auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten verhandelten die Arbeitgeberinnen mit der Gewerkschaft Ende 1998 ohne Erfolg über die Herabsetzung tarifvertraglicher Leistungen. Nach dem Scheitern der Verhandlungen schlossen sie mit dem Gesamtbetriebsrat am 15. Februar 1999 eine Betriebsvereinbarung ab, die abweichend vom Tarifvertrag ua. eine Verringerung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes sowie eine Verlängerung der Wochenarbeitszeit vorsah und das Verfahren zur Höhergruppierung änderte. Darüber hinaus regelten die Arbeitgeberinnen des Gemeinschaftsbetriebs und der örtliche Betriebsrat am 18. Februar 1999 in einer Betriebsvereinbarung die Zahlung eines Urlaubs- und Weihnachtsgeldes sowie die Dauer der Wochenarbeitszeit ebenfalls abweichend vom Tarifvertrag und von der Betriebsvereinbarung mit dem Gesamtbetriebsrat.
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In einem daraufhin eingeleiteten Beschlußverfahren wendet sich die HBV gegen die Beeinträchtigung ihrer Tarifautonomie durch diese Betriebsvereinbarungen. Sie hat die Auffassung vertreten, die mit der Beteiligten zu 2) vereinbarten Tarifverträge seien nach einem Anschlußtarifvertrag auch für die Arbeitnehmer der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin maßgebend. Die zu 4) beteiligte Arbeitgeberin sei nach dem Ausgliederungsvertrag zur Anwendung der Tarifverträge verpflichtet. Die Betriebsvereinbarungen verstießen gegen die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG. Sie könne daher von den Arbeitgeberinnen nach § 23 Abs. 3 BetrVG bzw. § 1004 BGB iVm. § 823 BGB und Art. 9 Abs. 3 GG verlangen, die Durchführung und den Abschluß tarifwidriger Betriebsvereinbarungen zu unterlassen. Überdies seien die Arbeitgeberinnen verpflichtet, durch den Abschluß von Vereinbarungen mit ihren Arbeitnehmern die Folgen ihres tarifwidrigen Vorgehens zu beseitigen.
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Die Gewerkschaft hat angekündigt zu beantragen:
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1. Den Beteiligten zu 2) bis 4) wird untersagt, die unter dem 15.02.1999 mit dem Beteiligten zu 6) abgeschlossene Gesamtbetriebsvereinbarung insoweit durchzuführen, als diese
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a) für die Beschäftigten der Beteiligten zu 2) bis 4), einschließlich der Auszubildenden, mit Ausnahme der in § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG sowie der in der Anlage zu § 1 Abs. 3 des Manteltarifvertrages Alte Bundesländer vom 10.01.1996 genannten Personen das zusätzliche Urlaubsgeld 1999 auf 10 % und das Weihnachtsgeld 1999 auf 50 % kürzt,
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b) für die Beschäftigten der Beteiligten zu 2) bis 4), einschließlich der Auszubildenden, mit der Ausnahme der in § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG sowie der in der Anlage zu § 1 Abs. 3 Manteltarifvertrag Alte Bundesländer vom 10.01.1996 genannten Personen, die zum 01.04.1999 den Entlohnungsstufen V 1 und V 2 des Gehalts- und Lohntarifvertrags für die alten Bundesländer der Bundesrepublik Deutschland, einschließlich Berlin (Ost und West), vom 21.01.1998 ein Jahr oder länger bzw. in den Entlohnungsstufen V 3 und V 4 des genannten Tarifvertrages 2 Jahre oder länger angehört haben, von einer Umgruppierung in die nächst höhere Einstufung absieht,
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c) für die Beschäftigten der Beteiligten zu 2) in den Bundesländern Brandenburg, Mecklenburg/Vorpommern, Sachsen, Sachsen/Anhalt und Thüringen, die zum 01.04.1999 den Entlohnungsstufen OV 1 und OV 2 des Gehalts- und Lohntarifvertrags der P AG für die neuen Bundesländer vom 21.01.1998 ein Jahr oder länger bzw. der Entlohnungsstufen OV 3 und OV 4 des genannten Tarifvertrags 2 Jahre oder länger angehört haben, von einer Umstufung in die nächst höhere Entlohnungsstufe absieht,
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d) für die Beschäftigten der Beteiligten zu 2) bis 4), einschließlich der Auszubildenden in den alten Bundesländern, mit Ausnahme der in § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG sowie in der Anlage zu § 1 Abs. 3 Manteltarifvertrag Alte Bundesländer vom 10.01.1996 genannten Personen, die wöchentliche Regelarbeitszeit von 37,5 Stunden auf 40 Stunden erhöht.
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2. Den Beteiligten zu 2) bis 4) wird untersagt, die zwischen ihnen und dem Beteiligten zu 5) abgeschlossene Betriebsvereinbarung vom 18.02.1999 insoweit durchzuführen, als diese für die Beschäftigen der Beteiligten zu 2) bis 4), einschließlich der Auszubildenden am Standort S , mit Ausnahme der in § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG sowie der in der Anlage zu § 1 Abs. 3 Manteltarifvertrag Alte Bundesländer vom 10.01.1996 genannten Personen, das zusätzliche Urlaubsgeld für 1999 versagt und das Weihnachtsgeld 1999 auf 10 % kürzt.
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3. Den Beteiligten zu 2) bis 4) wird untersagt, mit den Beteiligten zu 5) und/oder 6) Regelungen in Betriebs- bzw. Gesamtbetriebsvereinbarungen zu treffen, die für die unter den Geltungsbereich dieser Vereinbarungen fallenden Arbeitnehmer die wöchentliche Regelarbeitszeit, die Höhe des Urlaubs- oder Weihnachtsgeldes oder den Vollzug von Umgruppierungsregelungen abweichend von den für diese Arbeitnehmer zwischen den Beteiligten zu 1) einerseits und Beteiligten zu 2) bis 4) andererseits abgeschlossenen Tarifverträgen regeln.
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4. Den Beteiligten zu 2) bis 4) wird aufgegeben, den Beschäftigten in den alten Bundesländern, mit Ausnahme der in § 5 Abs. 2 und 3 BetrVG sowie der in der Anlage zu § 1 Abs. 3 Manteltarifvertrag Alte Bundesländer vom 10.01.1996 genannten Personen, zum 31.03.2000 anzubieten, die 1999 und 2000 (bis 31.03.2000) über 37,5 Wochenstunden hinaus geleisteten Mehrstunden nach Wunsch durch Bezahlung oder in Freizeit abgegolten zu bekommen.
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5. Den Beteiligten zu 2) bis 4) wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung nach den Anträgen 1) bis 3) ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu DM 20.000,-- angedroht.
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Die übrigen Beteiligten haben zunächst beantragt, die Anträge in das Urteilsverfahren zu verweisen.
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Sie haben geltend gemacht, die angekündigten Anträge könnten nicht im Beschlußverfahren verfolgt werden. Der Gewerkschaft stehe ein auf die Verletzung des § 23 Abs. 3 BetrVG gestützter Unterlassungsanspruch offenkundig nicht zu. Weder hätten sich die Arbeitgeberinnen grob betriebsverfassungswidrig verhalten, noch könne ein solcher Unterlassungsanspruch überhaupt auf eine Verletzung der Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG gestützt werden. Ausschließlicher Streitgegenstand des Verfahrens seien im übrigen Ansprüche einer Gewerkschaft gegenüber Arbeitgebern aus unerlaubter Handlung. Solche Ansprüche seien gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG im Urteilsverfahren zu verfolgen.
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Das Arbeitsgericht hat das Beschlußverfahren für zulässig gehalten. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Arbeitgeberinnen sowie die des Gesamtbetriebsrats und des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen und die weitere sofortige Beschwerde zugelassen. Mit dieser verfolgen die Arbeitgeberinnen sowie der Gesamtbetriebsrat und der Betriebsrat ihren bisherigen Antrag, das Verfahren in das Urteilsverfahren zu verweisen. Die Gewerkschaft hat die Zurückweisung des Antrags begehrt.
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B. Die Beschwerden sind als weitere sofortige Beschwerden zulässig. Sie sind rechtzeitig eingelegt worden. Zwar ist weder in § 78 ArbGG noch in § 17 a Abs. 4 Satz 4 GVG eine Frist bestimmt. Da es sich aber dem Grunde nach um das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde handelt, gilt die zwei-Wochen-Frist des § 78 Abs. 1 Satz 1 ArbGG iVm. § 577 ZPO entsprechend (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting ArbGG 3. Aufl. § 48 Rn. 96; Hauck ArbGG § 48 Rn. . Diese Frist ist gewahrt. Die Beschwerden sind innerhalb von zwei Wochen nach der Zustellung der Beschwerdeentscheidung des Landesarbeitsgerichts beim Bundesarbeitsgericht eingegangen.
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C. Die weiteren sofortigen Beschwerden der Beteiligten zu 2) bis 6) sind überwiegend unbegründet. Für die von der antragstellenden Gewerkschaft angekündigten Unterlassungsanträge ist das Beschlußverfahren die zutreffende Verfahrensart (I). Demgegenüber ist der in Aussicht gestellte Antrag auf Verpflichtung der Arbeitgeberinnen zur Abgabe eines Vertragsangebots an die Arbeitnehmer im Urteilsverfahren zu verfolgen (II).
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I. Eine Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Unterlassungsanträge hat im Beschlußverfahren zu ergehen.
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1. Das Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen bestimmt sich nach den §§ 2 und 2 a ArbGG. Diese ordnen für die in § 2 ArbGG geregelten Arbeitssachen das Urteilsverfahren an, während die in § 2 a ArbGG benannten Arbeitssachen im Beschlußverfahren zu entscheiden sind. Ausschließlich dem arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren sind zugewiesen bürgerliche Rechtsstreitigkeiten zwischen tariffähigen Parteien oder zwischen diesen und Dritten aus unerlaubten Handlungen, soweit es sich ua. um Fragen der Vereinigungsfreiheit einschließlich des hiermit im Zusammenhang stehenden Betätigungsrechts der Vereinigungen handelt (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 5 ArbGG). Im Beschlußverfahren sind dagegen zu entscheiden Streitigkeiten, die eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz betreffen, soweit es nicht um strafbare Handlungen und Ordnungswidrigkeiten nach dem Betriebsverfassungsgesetz geht, die den ordentlichen Gerichten zugewiesen sind (§ 2 a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ArbGG). Um eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz handelt es sich, wenn die durch das Betriebsverfassungsgesetz geregelte Ordnung des Betriebs und die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Betriebsparteien als Träger dieser Ordnung im Streit sind. Das gilt auch dann, wenn es um Rechte betriebsverfassungsrechtlicher Organe geht, die sich nicht unmittelbar aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergeben, vielmehr ihre Grundlage in Tarifverträgen oder in anderen Rechtsvorschriften haben (BAG 26. Mai 1992 - 10 ABR 63/91 - BAGE 70, 281, zu B I 3 der Gründe; 1. Dezember 1992 - 1 ABR 28/92 - BAGE 72, 29, zu I 3 der Gründe).
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Die Verfahrensart kann dagegen nicht durch das Benennen von Anspruchsgrundlagen bestimmt werden. Die Beteiligten eines Verfahrens sind nicht befugt, die Anspruchsgrundlagen festzulegen. Es ist allein dem Gericht vorbehalten darüber zu befinden, ob und ggf. welche Anspruchstatbestände auf Grund des festgelegten Sachverhalts erfüllt sind (BAG 16. Februar 2000 - 5 AZB 71/99 - BAGE 93, 310, zu II 2 a der Gründe). Bestimmend für die Verfahrensart ist ausschließlich der Inhalt des geltend gemachten Anspruchs (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting aaO § 2 Rn. 196).
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2. Der Unterlassungsantrag einer Gewerkschaft, der sich gegen die Durchführung oder den Abschluß tarifwidriger Vereinbarungen der Betriebsparteien richtet, ist im Beschlußverfahren geltend zu machen. Er betrifft ungeachtet seiner Rechtsgrundlage eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit im Sinne des § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.
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a) Nach den angekündigten Anträgen zu 1) bis 3) begehrt die Gewerkschaft von den Arbeitgeberinnen, die Durchführung bestimmter Betriebsvereinbarungen oder den Abschluß künftiger Betriebsvereinbarungen zu unterlassen. Als Anspruchsgrundlage kommen nach dem vorgetragenen Sachverhalt sowohl § 23 Abs. 3 BetrVG iVm. § 77 Abs. 3 BetrVG als auch § 1004 BGB iVm. § 823 Abs. 1 BGB und Art. 9 Abs. 3 GG in Betracht. Von keiner dieser Anspruchsgrundlagen läßt sich sagen, daß sie offenkundig nicht gegeben wäre. Das gilt auch für den betriebsverfassungsrechtlichen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG iVm. § 77 Abs. 3 BetrVG. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat § 77 Abs. 3 BetrVG als eine Grundnorm der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung angesehen. Danach könnte der Abschluß einer Betriebsvereinbarung über tariflich geregelte Arbeitsbedingungen eine Pflichtverletzung sein, die einen Unterlassungsanspruch nach § 23 Abs. 3 BetrVG gegenüber dem Arbeitgeber begründet bzw. zu einer Amtsenthebung des Betriebsrats nach § 23 Abs. 1 BetrVG führt (BAG 22. Juni 1993 - 1 ABR 62/92 - BAGE 73, 291, zu B III 2 a der Gründe; 20. August 1991 - 1 ABR 85/90 - BAGE 68, 200, zu B III 1 b der Gründe). Allerdings hat der Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung die Einordnung der Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG als Grundnorm der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung in Zweifel gezogen, ohne sich dazu aber abschließend zu äußern (BAG 20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - BAGE 91, 210, zu B II 1 a der Gründe). Deswegen scheidet § 23 Abs. 3 BetrVG als Anspruchsgrundlage für die begehrten Unterlassungen nicht von vornherein aus. Die Klärung dieser Frage betrifft allein die Begründetheit der Anträge. Darüber ist im Verfahren über die Bestimmung der Verfahrensart nicht zu befinden. Eine solche Entscheidung ist dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
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b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist das gegen den Arbeitgeber gerichtete Unterlassungsbegehren einer Gewerkschaft nach § 23 Abs. 3 iVm. § 77 Abs. 3 BetrVG, das darauf abzielt, dem Arbeitgeber die Durchführung von Betriebsvereinbarungen zu untersagen, als eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz im Beschlußverfahren nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu verfolgen (BAG 20. August 1991 - 1 ABR 85/90 - BAGE 68, 200, zu B I 2 der Gründe). Die beantragte Entscheidung betrifft ausschließlich eine Frage der betrieblichen Ordnung, weil sie festlegt, ob die Betriebsparteien von ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsbefugnis einen zulässigen Gebrauch gemacht haben und deshalb der Arbeitgeber im Verhältnis zum Betriebsrat auch zur Durchführung der Vereinbarung gehalten ist. Zugleich greift eine solche Entscheidung unmittelbar in die Rechtsbeziehung der Arbeitsvertragsparteien ein, die durch die Betriebsvereinbarung normativ ausgestaltet sind. Das gilt auch, wenn der Unterlassungsanspruch auf § 1004 BGB iVm. § 823 BGB und Art. 9 Abs. 3 GG gestützt wird. Auch in diesem Fall bezieht sich der Gegenstand des Antrags ausschließlich auf die betriebliche Ordnung, nämlich die Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat einerseits und die durch betriebsverfassungsrechtliche Normsetzung gestalteten Rechtsbeziehungen zwischen dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmern andererseits.
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Diese Rechtsprechung hat der Senat im Beschluß vom 20. April 1999 (- 1 ABR 72/98 - aaO, zu B I 2 b der Gründe) erneut bestätigt und darüber hinaus das Beschlußverfahren auch bei einem deliktsrechtlichen Unterlassungsanspruch der Gewerkschaft gegenüber Regelungsabreden als die zutreffende Verfahrensart angesehen. Im Gegensatz zur Betriebsvereinbarung beruht bei einer Regelungsabrede der Eingriff in die Tarifautonomie zwar nicht auf normativen Regelungen nach dem Betriebsverfassungsgesetz und der daraus folgenden gesetzlichen Durchführungspflicht des Arbeitgebers, sondern erst auf einer arbeitsvertraglichen Umsetzung der Regelungsabrede durch den Arbeitgeber. Dafür ursächlich ist aber ein gemeinsames Handeln der Betriebsparteien. Die Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses betriebsverfassungsrechtlichen Handelns ist dem Beschlußverfahren vorbehalten.
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c) Die Rechtsprechung des Senats hat einerseits Zustimmung gefunden (Fitting/Kaiser/Heither/Engels BetrVG 20. Aufl. § 77 Rn. 203; ErfK-Eisemann BetrVG § 23 Rn. 24; Kocher AuR 1999, 382, 385; Berg/Platow DB 1999, 2362, 2367), weil für die Bestimmung der Verfahrensart nicht die Anspruchsgrundlage, sondern der Antragsgegenstand entscheidend sei. Der Begriff der betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten betreffe über die Streitigkeiten aus der unmittelbaren Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes hinaus auch solche, in deren Mittelpunkt die betriebliche Ordnung stehe. Überdies sei der Betriebsrat, von dem die Störungen der Koalitionsfreiheit der betroffenen Gewerkschaft ebenfalls ausgingen, nur im Beschlußverfahren beteiligungsbefugt.
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Demgegenüber hat der Senat im Schrifttum auch grundlegende Kritik erfahren. Er habe die Verfahrenszuweisung des ArbGG verkannt. Deliktische Abwehransprüche seien unabhängig von einer Beteiligung der Betriebsparteien an der Verletzung eines von § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsguts wegen § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbGG ausschließlich im Urteilsverfahren zu klären. Ein Anspruch aus unerlaubter Handlung werde durch die Beteiligung des Betriebsrats nicht zu einer Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Voraussetzungen und Rechtsfolgen eines zivilrechtlichen Unterlassungsbegehrens seien ausschließlich außerhalb des Betriebsverfassungsgesetzes geregelt (Reuter SAE 1999, 262, 264; Rieble ZTR 1999, 483, 486; Kast/Stuhlmann BB 2000, 614, 615; Glaubitz FA 2000, 276, 277; Annuß RdA 2000, 287, 297; Bauer NZA 1999, 957, 958; Walker ZfA 2000, 29, 49; Hromadka ZTR 2000, 253, 256; Richardi DB 2000, 42, 48; Buchner NZA 1999, 897, 899). Schließlich sei es sachlich nicht zu rechtfertigen, einer Gewerkschaft für die Verfolgung eigener Rechte die Vorteile des Beschlußverfahrens wie Kostenfreiheit und Amtsermittlung zugute kommen zu lassen (Glaubitz aaO; Bauer aaO).
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d) Diese auf die Anspruchsgrundlage und nicht auf den Inhalt des geltend gemachten Anspruchs abstellende Zuordnung der Verfahrensarten wird der gesetzlichen Verfahrenszuweisung nicht gerecht. Während die Vorschriften über das Urteilsverfahren auf das Rechtsverhältnis der betroffenen Parteien abstellen, ist das Vorliegen eines solchen Rechtsverhältnisses für das Beschlußverfahren nicht maßgebend. Vielmehr geht es in diesem Verfahren ausschließlich um die durch das Betriebsverfassungsgesetz gestaltete betriebliche Ordnung, die losgelöst von dem konkreten Rechtsverhältnis des Antragstellers zu den sonstigen Beteiligten als eine Angelegenheit aus dem Betriebsverfassungsgesetz zu klären ist. Der Antrag auf Unterlassen der Durchführung oder des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung betrifft aber in allen Fällen unabhängig vom Anspruchsgrund den Geltungsanspruch einer betriebsverfassungsrechtlichen Norm und damit das Verhältnis der Betriebsparteien zueinander. Nach dem Inhalt des Antrags, der allein bestimmend für die Verfahrensart ist (vgl. Ascheid Urteils- und Beschlußverfahren im Arbeitsrecht 2. Aufl. Rn. 1661), handelt es sich um eine Frage der betrieblichen Ordnung. Die Klärung dieser Frage ist nach § 2 a Abs. 1 Nr. 1 ArbGG dem Beschlußverfahren zugewiesen.
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Dies führt auch nicht zu einer unter koalitionsrechtlichen Gesichtspunkten bedenklichen Besserstellung von Gewerkschaften. Zwar sind die Gerichte im Beschlußverfahren verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Dabei sind sie jedoch auf die Mitwirkung von Beteiligten angewiesen. Diese trifft nach § 83 Abs. 1 Satz 2 ArbGG eine gesetzliche Pflicht, sich an der Aufklärung des Sachverhalts zu beteiligen. Deshalb ist zunächst der Antragsteller gehalten, die anspruchsbegründenden Tatsachen vorzutragen. Das Gericht hat nicht ins Blaue hinein zu ermitteln, sondern auf Grund eines konkreten Sachvortrags. Erst wenn das Vorbringen des Antragstellers zur Begründung des Antrags unzureichend ist, hat das Gericht darauf hinzuweisen und Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen zu geben (BAG 12. Mai 1999 - 7 ABR 36/97 - BAGE 91, 325, zu B II 3 a, b der Gründe).
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Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Kostenfreiheit des arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahrens. Abgesehen davon, daß diese Privilegierung auch die Arbeitgeber begünstigt, ist im Beschlußverfahren kein Raum für eine Entscheidung über die Pflicht eines Beteiligten, im Falle des Unterliegens die außergerichtlichen Verfahrenskosten der übrigen Beteiligten zu erstatten (BAG 20. April 1999 - 1 ABR 13/98 - BAGE 91, 235, zu B II der Gründe). Weder das Betriebsverfassungsgesetz noch das Arbeitsgerichtsgesetz enthalten Vorschriften, nach denen der Arbeitgeber gehalten wäre, im Beschlußverfahren einer Gewerkschaft im Falle ihres Unterliegens die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
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II. Zu Unrecht haben die Vorinstanzen angenommen, daß auch der angekündigte Antrag zu 4) im Beschlußverfahren zu verfolgen sei. Für diesen Antrag ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG das Urteilsverfahren die zutreffende Verfahrensart.
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Der angekündigte Antrag ist nicht Teil der Unterlassungsanträge der Gewerkschaft. Nach der Rechtsprechung des Senats (20. April 1999 - 1 ABR 72/98 - aaO, zu II 2 c der Gründe) berechtigt ein Unterlassungsanspruch gegenüber tarifwidrigen betrieblichen Regelungen eine Gewerkschaft nicht dazu, Individualansprüche ihrer Mitglieder gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Dieses Ziel strebt die antragstellende Gewerkschaft auch nicht an. Mit ihrem vom eigentlichen Unterlassungsbegehren losgelösten Antrag will sie vielmehr erreichen, daß die Arbeitgeberinnen ihren Arbeitnehmern ein Angebot auf Abschluß einer Vereinbarung unterbreiten, mit der die Folgen einer tarifwidrigen Vorgehensweise für die Zukunft ausgeglichen werden sollen. Dieser Anspruch betrifft seinem Inhalt nach nicht die von den Betriebsparteien durch Vereinbarungen gestaltete betriebliche Ordnung. Ob er mit Ansprüchen, die sich auf diese Ordnung beziehen, in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht, ist unerheblich. Die im Urteilsverfahren nach § 2 Abs. 3 ArbGG mögliche Zusammenhangsklage hat im Beschlußverfahren keine Entsprechung.
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Wißmann Hauck Schmidt
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Schneider Rösch

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