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Zur Neuregelung der Sozialauswahl bei betriebsbedingter Kündigung

Sozialauswahl, Kündigungsschutz
Nach der neuen Fassung des § 1 Absatz 3 Satz 1 KSchG muss der Arbeitgeber bei der Auswahl die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, Unterhaltspflichten und eine vorliegende Schwerbehinderung berücksichtigten.

Kriterien für die Sozialauswahl

Die vier Auswahlkriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung sind gleichbedeutend. Der Arbeitgeber muss die Kriterien ausreichend berücksichtigen, wobei ihm ein Wertungsspielraum eingeräumt wird. Wenn sich vergleichbare Arbeitnehmer hinsichtlich der sozialen Schutzbedürftigkeit nicht gravierend unterscheiden, handelt der Arbeitgeber rechtmäßig, wenn er einen der Arbeitnehmer entlässt und dem anderen nicht kündigt.

Dauer der Betriebszugehörigkeit in der Sozialauswahl

Wenn das Gesetz die Dauer der Betriebszugehörigkeit anführt, ist damit die Dauer des Arbeitsverhältnisses zu dem selben Arbeitgeber gemeint. Mit einzubeziehen sind Beschäftigungszeiten in anderen Betrieben des Arbeitgebers und im Falle eines Betriebsübergangs Beschäftigungszeiten bei dem Rechtsvorgänger. Kurzfristige Unterbrechungen sind dabei in der Regel unbeachtlich. Ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses, z. B. Elternzeit oder Wehrdienst, ist hinsichtlich der Dauer der Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen, weil es den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht berührt. Unterhaltspflichten sind die gesetzlichen Unterhaltspflichten nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), d.h. der Unterhalt unter Ehepartnern und gegenüber Kindern, Eltern, Großeltern und Enkelkindern. Unterhaltspflichten sind nur beachtlich, wenn sie im Zeitpunkt der Kündigung bestehen. Eine Schwerbehinderung bestimmt sich nach § 2 Absatz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX, nach dem eine Behinderung von wenigstens 50 Prozent vorliegen muss. Zu berücksichtigen ist auch eine gleichgestellte Behinderung gem. § 2 Absatz 3 SGB IX. Die Einbeziehung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers in die soziale Auswahl ist nur möglich, wenn das Integrationsamt der Kündigung zustimmt gem. § 85 SGB IX.

Änderung im Kündigungsschutz

Nach der neuen Fassung des § 1 Absatz 3 Satz 2 KSchG kann der Arbeitgeber bei der betriebsbedingten Kündigung von der Regel der sozialen Auswahl abweichen und Arbeitnehmer unberücksichtigt lassen, deren Weiterbeschäftigung wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten oder Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Unternehmens im berechtigtem betrieblichen Interesse liegt. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der Arbeitgeber einem sozial schutzbedürftigen Arbeitnehmer kündigen und einen unverzichtbaren aber sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmer weiterbeschäftigen. Durch die geänderte gesetzliche Regelung sollen im Interesse der Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Betriebes die betrieblichen Erfordernisse gegenüber den sozialen Gesichtspunkten stärker gewürdigt werden. Der Arbeitgeber darf deshalb nicht willkürlich die soziale Auswahl umgehen, sondern nur, wenn dies im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Bei der Bevorzugung von unverzichtbaren Arbeitnehmern bei der Sozialauswahl muss der Arbeitgeber die Interessen sozial schwächerer Arbeitnehmer gegen die betrieblichen Interessen abwägen. Ein berechtigtes betriebliches Interesse ist die Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern, die besondere Bedeutung für das Unternehmen haben. Das können z.B. Arbeitnehmer mit besonderer Qualifikation sein. Aber auch eine deutlich höhere Leistungsfähigkeit bei gleicher Qualifikation kann die Bevorzugung von Arbeitnehmern bei der Sozialauswahl rechtfertigen.

Als berechtigtes betriebliches Interesse, das ein Abweichen in der Sozialauswahl rechtfertigt, betont das Gesetz ausdrücklich die Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur. Würde die soziale Auswahl dazu führen, dass Entlassungen zur Überalterung der Belegschaft führen, können Altersgruppen innerhalb des zur Sozialauswahl stehenden Personenkreises gebildet werden und aus diesen Gruppen anteilmäßig gleich viele Arbeitnehmer entlassen werden. Ebenso können zur Aufrechterhaltung der bisherigen Leistungsstruktur Gruppen von Arbeitnehmern mit überdurchschnittlichen, durchschnittlichen und unterdurchschnittlichen Leistungen gebildet werden.

Die gesetzliche Begrenzung auf vier Auswahlkriterien schließt nicht aus, dass der Arbeitgeber der Auswahl noch andere Kriterien zu Grunde legt. Weitere Kriterien können nur solche Tatsachen sein, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den vier gesetzlich vorgegebenen Kriterien stehen. Die Einbeziehung zusätzlicher Aspekte in die Auswahl darf aber nicht dazu führen, dass die vier gesetzlichen Kriterien umgangen werden.

Durchführung der Sozialauswahl

Vor Durchführung der Sozialauswahl muss sich der Arbeitgeber zunächst die Sozialdaten von vergleichbaren Arbeitnehmern beschaffen. Kann er diese nicht den Betriebsunterlagen (Personalakte) entnehmen, ist er verpflichtet die Arbeitnehmer zu befragen. Diese sind zur wahrheitsgemäßen Auskunft verpflichtet. Bei Verschweigen kann sich ein Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess nicht auf den verschwiegenen Umstand berufen. Soweit eine schuldhaft falsche Auskunft zur rechtswidrigen Kündigung eines sozial schwächeren Arbeitnehmers führt, kann der Arbeitgeber Schadensersatz verlangen.

Die Sozialauswahl im Kündigungsschutzprozess

Im Kündigungsschutzprozess gilt der Grundsatz der sog. abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer darlegen und beweisen, dass die Sozialauswahl des Arbeitgebers fehlerhaft ist. Sind dem Arbeitnehmer die für die getroffene soziale Auswahl notwendigen Fakten nicht bekannt, kann er die Auswahl pauschal rügen. Der Arbeitgeber muss dann die soziale Auswahl begründen, andernfalls bestätigt er eine fehlerhafte Auswahl.
Gibt der Arbeitgeber aber die Gründe an, hat der Arbeitnehmer anschließend darzulegen und zu beweisen, dass die Auswahl fehlerhaft ist.
Hinsichtlich der Berechtigung des Arbeitgebers, unverzichtbare Arbeitnehmer aus der sozialen Auswahl herauszunehmen, trägt dieser die Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitgeber erfüllt diese Voraussetzung nur dann, wenn er konkrete Tatsachen anführt, die das betriebliche Interesses an der Weiterbeschäftigung begründen und dieses Interesse schwerer wiegt als das soziale Schutzinteresse des gekündigten Arbeitnehmers.

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