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Unwirksame Bauvertragsklauseln: BGH VII ZR 233/94

Urteil des BGH vom 25.01.1996 (= BGHz 131, 392)



1. »Eine Abnahme durch Ingebrauchnahme ist ausgeschlossen« (wenn der Auftraggeber sich zugleich vorbehält, einen Abnahmetermin durch seine Bauleiter festzusetzen, ohne dafür eine Frist vorzusehen)

und

2. »Vereinbartes Skonto wird von jedem Abschlags- und Schlußrechnungsbetrag abgezogen, für den die geforderten Zahlungsfristen eingehalten werden« (bei Verstoß gegen das Transparenzgebot).

b) Die §§ 1 Nr. 4 Satz 1,2 Nr. 5 Satz 1 und 18 Nr. 4 VOB/B halten einer isolierten Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGBG stand.

2. »Vereinbartes Skonto wird von jedem Abschlags- und Schlußrechnungsbetrag abgezogen, für den die geforderten Zahlungsfristen eingehalten werden« (bei Verstoß gegen das Transparenzgebot).

b) Die §§ 1 Nr. 4 Satz 1,2 Nr. 5 Satz 1 und 18 Nr. 4 VOB/B halten einer isolierten Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGBG stand ...



Die Klausel ... beeinträchtigt den Auftragnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen ... Nach der Rechtsprechung des Senats verstößt eine in AGB enthaltene Regelung, mit der ein Generalunternehmer die Abnahme der von einem Subunternehmer erbrachten Leistung auf einen Zeitpunkt hinausschiebt, der einige Zeit nach der Fertigstellung dieser Leistung liegt, nicht stets gegen § 9 AGBG ... Grundsätzlich muß die Abnahme nach § 640 BGB unmittelbar nach Fertigstellung des Werkes erklärt werden; der Generalunternehmer kann jedoch ein berechtigtes Interesse daran haben, formularmäßig einen späteren Zeitpunkt zu vereinbaren. In der genannten Entscheidung hat der Senat einen Verstoß z.B. dann bejaht, wenn die Regelung den Zeitpunkt der Abnahme für den Subunternehmer nicht eindeutig erkennen läßt, dieser Zeitpunkt also ungewiß bleibt.



... Die Beklagte hat sich ... das Recht vorbehalten, einen Abnahmetermin durch die Bauleiter festzusetzen, ohne dafür eine Frist oder sonstige Bindung vorzusehen. Ein Recht des Auftragnehmers, selbst einen Termin für die Abnahme zu bestimmen oder darauf verbindlich hinzuwirken, ist nicht eingeräumt. Damit wird der Auftraggeber entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen bevorzugt. Der Beginn der Gewährleistungsfrist und der Eintritt der Fälligkeit des Werklohnes können dadurch unangemessen hinausgeschoben werden, obwohl der Auftragnehmer seine Leistung erbracht hat und der Auftraggeber das hergestellte Werk bereits nutzt.

c) Damit ist nicht gesagt, daß in einer Klausel nicht die förmliche Abnahme vorgeschrieben werden kann ... Jede Vertragspartei kann durchaus ein schützenswertes Interesse daran haben, daß beide Vertragsparteien gemeinsam die erbrachte Bauleistung überprüfen und zur Vermeidung von Unklarheiten und Beweisschwierigkeiten die Tatsache und den Zeitpunkt sowie den Befund der Abnahme und etwaige Vorbehalte wegen bekannter Mängel und wegen Vertragsstrafen schriftlich niederlegen. Ist in den AGB eine förmliche Abnahme in angemessener Frist nach Fertigstellung der Leistung vorgesehen ..., so ist der darin liegende Ausschluß der Abnahme durch Ingebrauchnahme nicht unangemessen.



III.

... Skonto bedeutet einen prozentualen Abzug vom Rechnungsbetrag, der bei sofortiger oder kurzfristiger Zahlung gewährt wird. Er kann für jede Abschlags- und die Schlußrechnung vereinbart sein.



b) Die Klausel verstößt jedoch gegen das Transparenzgebot und damit gegen § 9 Abs. 1 AGBG. Nach gefestigter Rechtsprechung ist bei einem Verstoß gegen das Transparenzgebot der Verfahrensweg nach § 13 AGBG eröffnet (BGH Urteil vom 15. Oktober 1991 - XI ZR 192/90, BGHZ 116,1, 3 f. m.w.Nachw.). Die Intransparenz entsteht hier durch die Verknüpfung des nur abstrakt als vereinbart umschriebenen Skontos mit Einzelabreden und näher bezeichneten Rechnungen. Dabei bleibt unklar, in welchem Verhältnis die Klausel zu jenen Einzelabreden stehen soll, so daß die Gefahr von Mißverständnissen besteht ...



a) Zu Recht geht das Landgericht davon aus, daß die BVB der Beklagten vorrangig vor der VOB/B vereinbart sind und deshalb einzelne Bestimmungen der VOB/B verdrängen können.



b) Der ... geregelte Ausschluß des § 2 Nr. 3 VOB/B für Nachtragsangebote berührt jedenfalls den Kernbereich der VOB/B. So verlagert der Ausschluß von § 2 Nr. 3 VOB/B bei Angeboten das Risiko einer unzutreffenden Preiskalkulation in Zusammenhang mit einer unzutreffenden Schätzung der Massen durch den Auftraggeber ohne rechtfertigenden Grund auf den Auftragnehmer. Dem steht keine vergleichbare Risikoübernahme durch den Auftraggeber gegenüber ... Gleiches gilt für Nachtragsangebote.



c) .... Nach der Rechtsprechung des Senats stellt sich bereits der Ausschluß der fiktiven Abnahme nach § 12 Nr. 5 VOB/B als eine zu Lasten des Auftragnehmers gehende Regelung dar ... Gleiches gilt, wenn die Abnahme nach § 12 Nr. 1 VOB/B ausgeschlossen wird. Des weiteren sind nach 12 Nr. 1 der BVB der Beklagten Teilabnahmen nicht möglich; damit wird ein wesentliches Recht des Auftragnehmers, das ihm § 12 Nr. 2 VOB/B einräumt, beseitigt.



d) Nach alledem wird durch die Regelungen ... der Beklagten jedenfalls insgesamt der im ganzen einigermaßen ausgewogene Ausgleich der Interessen durch die VOB/B so nachhaltig gestört, daß diese im Sinne der Rechtsprechung des Senats nicht mehr »als Ganzes« vereinbart ist ...



V.

... Der Senat hat die Frage, ob § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B bei isolierter Prüfung der Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGBG standhält, bisher noch nicht entschieden. Die Frage wird in der Literatur bejaht ... Dem stimmt der Senat zu.



a) Nach § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B hat der Auftragnehmer auf Verlangen des Auftraggebers nicht vereinbarte Leistungen, die zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich werden, unter bestimmten Voraussetzungen mit auszuführen. Danach hat der Auftraggeber das Recht, durch einseitige Erklärung die vertraglichen Leistungen zu erweitern; die Regelung stellt sich der Sache nach als ein vertraglich vereinbartes Leistungsbestimmungsrecht ähnlich wie § 315 BGB dar ...



b) Die Frage, ob ein Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers Gegenstand der Hauptleistung des Auftragnehmers und damit gemäß § 8 AGBG nicht nach den §§ 9-11 AGBG kontrollierbar ist ..., kann offenbleiben. § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B hält nämlich einer Inhaltskontrolle nach den §§ 9-11 AGBG stand.



Das gesetzliche Werkvertragsrecht kennt allerdings eine Änderungsbefugnis des Bestellers nicht. Jedoch kann sich das in § 1 Nr. 4 VOB/B geregelte Gestaltungsrecht des Auftraggebers mit den dort genannten Einschränkungen im Einzelfall auch beim BGB-Werkvertragsrecht aus Treu und Glauben gemäß §§ 157,242 BGB als Vertragspflicht ergeben ...



Vor diesem Hintergrund ist die Regelung des § 1 Nr. 4 VOB/B nicht unangemessen. Bei Bauverträgen läßt sich bei Vertragsschluß häufig nicht übersehen, ob Leistungen zusätzlicher Art erforderlich werden, um den vereinbarten Leistungserfolg zu erreichen. Erfahrungsgemäß werden im Laufe der Errichtung eines Bauwerkes immer wieder zunächst nicht vorgesehene Leistungen notwendig. Damit trägt § 1 Nr. 4 VOB/B im Bauvertragsrecht dem Spannungsverhältnis zwischen Planung und Realität angemessen Rechnung. Die Vorschrift regelt zugleich die Grenzen, in denen der Auftraggeber sein Recht ausüben darf. Für die zusätzlich geforderten Leistungen steht dem Auftragnehmer gemäß § 2 Nr. 6 Abs. 1 VOB/B ein Anspruch auf besondere Vergütung zu. Auf die Frage, ob diese Regelung ihrerseits mit § 9 AGBG zu vereinbaren ist, kommt es hier nicht an.



Nach alledem enthält § 1 Nr. 4 Satz 1 VOB/B keine unangemessene Benachteiligung des Auftragnehmers.



VI.

... § 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B verstößt nicht gegen das AGB-Gesetz.



a) Dabei kann offenbleiben, ob die Regelung nach § 8 AGBG einer Inhaltskontrolle entzogen ist. Klauseln, die nur eine Preisvereinbarung enthalten, unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des BGH keiner Inhaltskontrolle ... Allerdings können Klauseln, die eine Preisberechnungsabrede für eine nach dem Vertrag nicht unmittelbar, im Wege der vorweggenommenen Einigung aber möglicherweise später geschuldete zusätzliche Leistung enthalten, zu den kontrollierbaren Abreden über das vom Besteller zu zahlende Entgelt gehören ... Ob hier eine Preisberechnungsabrede vorliegt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.



b) § 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B hält nämlich auch einer etwa gebotenen Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG stand.



aa) Eine Kontrolle anhand von § 9 Abs. 2 Nr. 1 AGBG kommt nicht in Betracht. Da das Bürgerliche Gesetzbuch die Preisbildung den Vertragspartnern überläßt, fehlt es an einem rechtlichen Kontrollmaßstab. § 632 Abs. 2 BGB scheidet für eine Inhaltskontrolle der Preisabrede aus. Diese Vorschrift enthält eine sekundäre Regelung für den Fall, daß die Höhe der Vergütung nicht bestimmt ist ... Sie setzt damit das Fehlen einer Vergütungsvereinbarung voraus und greift nicht ein, wenn, wie vorliegend, eine Vereinbarung über den zu bildenden Preis vorliegt.



bb) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine formularmäßige Vertragsbestimmung im Sinne von § 9 Abs. 1 AGBG dann unangemessen, wenn der Verwender mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne dessen Interessen hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen ... § 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B schreibt den Parteien Kriterien für die Vereinbarung des neuen Preises vor, sofern die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung durch Änderung des Bauentwurfes oder andere Anordnungen des Auftraggebers geändert werden. Dabei sind grundsätzlich die alten Preise zum Ausgangspunkt für die Neuberechnung zu nehmen ...



Mit diesem für beide Parteien von vornherein überschaubaren Modus für die Bildung des neuen Preises wird die Klausel auftretenden Änderungen der Preisberechnungsgrundlagen gerecht. So verbleiben dem Auftragnehmer etwaige Vorteile aus seiner ursprünglichen Kalkulation. Wenn er im Einzelfall sein ursprüngliches Angebot zu knapp kalkuliert hatte oder wenn ihm ein Kalkulationsfehler unterlaufen war, so ist es nicht unbillig, ihn daran im Rahmen des § 2 Nr. 5 Satz 1 VOB/B bei der Neuberechnung des Preises festzuhalten. Der Auftragnehmer, der sich bei Abgabe seines Angebotes der Möglichkeit einer Änderung des Bauentwurfes oder einer sonstigen Anordnung des Bauherrn bewußt sein muß, hat es in der Hand, seine Preise gründlich und auskömmlich zu kalkulieren; davon darf sein Vertragspartner regelmäßig auch ausgehen. Es ist daher nicht unangemessen, den Auftragnehmer daran festzuhalten.



VII.



...

a) Nach § 18 Nr. 4 VOB/B ist der Auftragnehmer nicht berechtigt, bei Streitfällen die Arbeiten einzustellen. Damit soll sichergestellt werden, daß Meinungsverschiedenheiten der Vertragsparteien über Vertragsinhalt und Bauausführung das Bauvorhaben selbst nicht gefährden, sondern einer internen oder gerichtlichen Auseinandersetzung vorbehalten bleiben. Die Regelung hat lediglich klarstellende Funktion; mit ihr sollen dem Auftragnehmer zustehende Leistungsverweigerungsrechte nach der VOB/B oder nach gesetzlichen Vorschriften nicht abgeschnitten werden ...



b) ... Die VOB/B ist - anders als sonstige, durchweg vorrangig die Interessen des Verwenders regelnde AGB - kein Vertragswerk, das nur die Interessen einer Vertragsseite verfolgt ... Sie wird daher schon seit Jahrzehnten zutreffend als eine bereitliegende Vertragsordnung bezeichnet ... Wenn eine bestimmte Regelung in einem derartigen Regelwerk jahrzehntelang mit gleichbleibendem Verständnis ausgelegt wird ..., so liegt hier schon objektiv keine Mehrdeutigkeit vor, die bei kundenfeindlicher Auslegung zur Unwirksamkeit von § 18 Nr. 4 VOB/B führen könnte.
Stichwörter: bgh + unwirksame + vii + zr + bauvertragsklauseln

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