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Schlagzeuger - Pflicht zur Bedienung eines Regenmachers

Leitsätze

Ein Musiker in einem Kulturorchester, der nach dem Arbeitsvertrag iVm § 6 Abs 1 TVK zum Spielen des Schlagzeugs verpflichtet ist, hat keinen Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung für das Bedienen eines sog Regenmachers.

Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 12. Mai 2000 - 10 Sa 208/00 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand
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Die Parteien streiten in der Revision noch darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für das Bedienen eines sog. Regenmachers eine zusätzliche Vergütung zu zahlen.
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Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 1965 bei dem Beklagten als Orchestermusiker beschäftigt. Gemäß § 1 des Arbeitsvertrags vom 1. Juni 1972 ist er als erster Schlagzeuger mit Verpflichtung zur Pauke tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) Anwendung.
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Im Oktober 1998 bediente der Kläger in drei Proben und vier Konzerten einen sog. Regenmacher. Dies ist ein etwa 1,5 bis 2 Meter langes Bambusrohr, in dem Steinchen oder ähnliches Material über Metallstifte rieseln, wodurch beim Schütteln oder Drehen regenähnliche Geräusche verursacht werden. In der Vergangenheit hatte der Kläger für die Bedienung von Geräuscheffektgeräten, wie zB der Windmaschine, des Donnerblechs oder der Feuerwehrsirene, stets eine zusätzliche Vergütung erhalten. Für die Bedienung des Regenmachers im Oktober 1998 lehnte der Beklagte die Zahlung einer zusätzlichen Vergütung ab. Mit der Klage macht der Kläger eine zusätzliche Vergütung von 100,00 DM für jede Probe und von 200,00 DM pro Konzert geltend.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei als ausgebildeter Schlagzeuger arbeitsvertraglich nicht verpflichtet, den Regenmacher zu bedienen. Diese Tätigkeit gehöre zu den Aufgaben eines Geräuschespezialisten. Da er den Regenmacher überobligatorisch bedient habe, stehe ihm dafür eine angemessene Vergütung zu. Der Beklagte zahle üblicherweise als Vergütung für das Spielen ungewöhnlicher Instrumente und solcher Instrumente, die keine spezifische Schlagzeugausbildung voraussetzten, eine Vergütung von 200,00 DM pro Konzert. Dieser Betrag sei auch für die Bedienung des Regenmachers angemessen.
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Der Kläger hat beantragt,
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1. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 1.100,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 23. November 1998 zu zahlen,
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2. festzustellen, daß der Kläger im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses beim Beklagten nicht verpflichtet ist, einen sog. "Regenmacher" zu bedienen.
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Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Ansicht vertreten, der Kläger sei als Schlagzeuger zum Bedienen des Regenmachers verpflichtet. Geräuscheffektgeräte wie die Windmaschine, die Regenmaschine, das Donnerblech, das Flexaton uä. gehörten ausweislich der einschlägigen Musikliteratur zum Bereich des Schlagzeugs. Das Bedienen solcher Instrumente sei daher mit der Grundvergütung abgegolten.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, nachdem dieser mit dem Klageantrag zu 2 gebeten hatte festzustellen, daß er im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses beim Beklagten nicht verpflichtet ist, den Beruf eines Geräuschespezialisten (Nr. 835 des Schlüsselverzeichnisses für die Angaben zur Tätigkeit in Meldungen zur Sozialversicherung, herausgegeben von der Bundesanstalt für Arbeit im Juni 1999) auszuüben und einen sog. "Regenmacher" zu bedienen. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Zahlungsantrag weiter. Im übrigen haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt, weil der Kläger zwischenzeitlich aus den Diensten des Beklagten ausgeschieden ist.

Entscheidungsgründe
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Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage, soweit sie in der Revision noch anhängig ist, als unbegründet abgewiesen. Dem Kläger steht für das Bedienen des Regenmachers eine zusätzliche Vergütung nicht zu.
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1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer besonderen Vergütung nach § 27 Satz 1 iVm. § 6 Abs. 2 Buchst. d TVK.
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a) Nach diesen Bestimmungen ist dem Musiker für das Spielen eines ungewöhnlichen Instruments, auch wenn es nicht im Arbeitsvertrag genannt ist, eine besondere Vergütung zu zahlen. Der Regenmacher ist kein ungewöhnliches Instrument iSd. § 6 Abs. 2 Buchst. d TVK. Unter einem ungewöhnlichen Instrument ist ein Instrument zu verstehen, das vom üblichen abweicht und selten vorkommt (BAG 7. Dezember 1994 - 10 AZR 41/94 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Musiker Nr. 5). Außerdem ist erforderlich, daß es besonders schwierig zu spielen ist (BAG 4. Dezember 1974 - 4 AZR 120/74 - AP BGB § 611 Musiker Nr. 5). Dies ergibt sich aus der beispielhaften Aufzählung der von den Tarifvertragsparteien als ungewöhnlich erachteten Instrumente in der Protokollnotiz Nr. 2 zu § 6 Abs. 2 TVK. Sinn und Zweck der besonderen Vergütung nach § 27 TVK besteht somit darin, eine besondere Leistung des Musikers bzw. eine besondere Erschwernis abzugelten (BAG 7. Dezember 1994 - 10 AZR 41/94 - AP TVG § 1 Tarifverträge: Musiker Nr. 5). Dementsprechend besteht für das Spielen eines Instruments, das zwar vom üblichen abweicht und selten vorkommt, für den Musiker jedoch keine besondere Erschwernis verursacht, kein Anspruch auf eine besondere Vergütung nach § 27 TVK.
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b) Der Regenmacher weicht zwar vom üblichen ab und kommt in Musikwerken, die üblicherweise von Kulturorchestern gespielt werden, nicht häufig vor. Er ist jedoch einfach und ohne besondere Erschwernisse zu bedienen. Deshalb besteht dafür kein Anspruch auf eine besondere Vergütung nach § 27 TVK.
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2. Ein solcher Anspruch ergibt sich, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, auch nicht aus betrieblicher Übung. Zwar hat der Beklagte in der Vergangenheit stets eine zusätzliche Vergütung für das Bedienen von Geräuscheffektgeräten gezahlt. Daraus allein konnte der Kläger jedoch nicht schließen, daß diese Leistung auch künftig beibehalten werde. Ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes wie der Kläger muß grundsätzlich davon ausgehen, daß ihm sein an die Vorgaben des Haushaltsrechts gebundener Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren will, zu denen er rechtlich verpflichtet ist. Ohne besondere Anhaltspunkte kann er deshalb auch bei langjähriger Gewährung von Vergünstigungen, die den Rahmen rechtlicher Verpflichtungen überschreiten, nicht darauf vertrauen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unbefristet fortgesetzt. Er muß vielmehr damit rechnen, daß eine fehlerhafte Rechtsanwendung korrigiert wird (st. Rspr., vgl. etwa BAG 18. Januar 1996 - 6 AZR 314/95 - AP BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 25 = EzA BGB § 242 Auskunftspflicht Nr. 5). So liegt der Fall hier.
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Der Kläger hat zwar in der Vergangenheit für das Bedienen von Geräuscheffektgeräten wie Windmaschine, Flexaton, Katsu, Lotusflöte, Kettenrassel, Donnerblech, Stahlkugeln in Zinkeimer rollen, aufgeblasene Luftballons reiben, Teile auf Metallblech reiben, Styroporplatten vor Mikrofon reiben, Papierrascheln, Feuerwehrsirene und Drumset stets eine gesonderte Vergütung erhalten. Er hat jedoch keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, daß der Beklagte diese Leistungen bewußt und erkennbar als übertarifliche Vergütung und nicht nur in der irrtümlichen Annahme gewährt hat, dazu nach § 27 TVK verpflichtet zu sein. Deshalb konnte er nicht darauf vertrauen, daß der Beklagte diese Praxis in Kenntnis des Fehlens einer Rechtsgrundlage auch zukünftig beibehalten würde.
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3. Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch nicht auf § 612 Abs. 1 BGB stützen.
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Nach dieser Vorschrift gilt eine Vergütung als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist. Diese Bestimmung gilt auch für Sonderleistungen in einem bestehenden Vertragsverhältnis, die durch die vertraglich vereinbarte Vergütung nicht abgegolten sind (ErfK/Preis 2. Aufl. § 612 BGB Rn. 16 - 1 8) . Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Das Bedienen des Regenmachers gehört zu den Leistungen, zu denen der Kläger vertraglich verpflichtet ist. Diese Tätigkeit ist deshalb mit der Grundvergütung nach § 21 TVK abgegolten.
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a) Nach § 6 Abs. 1 TVK ist der Musiker zum Spielen des (der) im Arbeitsvertrag genannten Instruments (Instrumente) in der ihm übertragenen Tätigkeit verpflichtet. In § 1 des Arbeitsvertrags des Klägers sind als Instrumente Schlagzeug und Pauke genannt. Der Regenmacher findet dort zwar keine Erwähnung. Er ist jedoch dem Schlagzeug zuzuordnen.
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Was unter Schlagzeug zu verstehen ist und welche Einzelinstrumente dazu gehören, ist weder im Arbeitsvertrag noch im Tarifvertrag bestimmt. Der Inhalt der vertraglichen Verpflichtung des Klägers ist daher im Wege der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln. Dabei ist vom Vertragswortlaut auszugehen. Zu berücksichtigen ist nicht nur der allgemeine Sprachgebrauch, sondern auch, ob der Begriff bei den beteiligten Verkehrskreisen, hier also den Orchestermusikern, in einem bestimmten Sinne verstanden wird (BGH 23. November 1994 - VIII ZR 133/93 - NJW-RR 1995, 364, zu II 2 c aa der Gründe; MünchKomm BGB/Meyer-Maly/Busche 4. Aufl. § 133 Rn. 50). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht beachtet.
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b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei nach § 1 des Arbeitsvertrags verpflichtet, nicht nur ein klassisches Schlagzeug zu spielen, sondern auch andere Instrumente, die herkömmlicherweise von einem Schlagzeuger bedient werden. Dazu gehöre nach der vom Kläger vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Lang und nach Auffassung der beteiligten Verkehrskreise auch der Regenmacher. Diese Auslegung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Die sich aus § 1 des Arbeitsvertrags iVm. § 6 Abs. 1 TVK ergebende Verpflichtung zum Spielen des Schlagzeugs umfaßt mangels anderweitiger Anhaltspunkte die Pflicht zum Spielen sämtlicher Einzelinstrumente, die üblicherweise in einem Kulturorchester dem Schlagzeug zugeordnet sind und von einem Schlagzeuger bedient werden. Dazu gehört nach Auffassung der beteiligten Verkehrskreise auch der Regenmacher. Dies ergibt sich aus der einschlägigen Musikliteratur. Danach ist der Begriff Schlagzeug die zusammenfassende Bezeichnung für alle Schlaginstrumente (vgl. Fink in: Honegger/Massenkeil Das große Lexikon der Musik Bd. 7 S 251; Brockhaus/Riemann Musiklexikon 2. Bd. 1979 Stichwort: Schlagzeug). Darunter werden alle in der Musik verwendeten Objekte verstanden, mit denen durch Stampfen (zB Stampfrohr), Schütteln (Rassel, Sistrum), Schrapen (Ratsche, Washboard) oder Schlagen ein Geräusch oder ein Ton erzeugt werden kann (vgl. M. Bröcker in: Honegger/Massenkeil aaO; Brockhaus/Riemann aaO Stichwort: Schlaginstrumente). Dementsprechend werden dem Schlagzeug, das sich seit Mitte des 19. Jahrhunderts allmählich und später zunehmend stärker erweitert hat und das in Kompositionen ua. von Richard Strauss, Puccini, Mahler, Debussy und Strawinsky sowohl als Rhythmus- als auch als Geräuschinstrumentarium eingesetzt wurde (Brockhaus/Riemann aaO), auch Effektgeräte wie etwa Windmaschine und Donnerblech zugeordnet (Fink aaO; James Holland Das Schlagzeug 1983 S 177 zum Donnerblech). Diese Zuordnung erfaßt auch den Regenmacher. Mit ihm wird durch Schütteln ein besonderer Effekt in Form eines regenähnlichen Geräuschs erzeugt. Er ist daher - ebenso wie Windmaschine und Donnerblech - ein besonderes, dem Schlagzeug zuzuordnendes Effektgerät und deshalb vom Kläger als Schlagzeuger zu bedienen. Auf die Frage, ob der Regenmacher ein klassisches Schlagzeuginstrument oder überhaupt ein Musikinstrument im herkömmlichen Sinne ist oder ob er als Geräuscheffektgerät keiner dieser Gattungen zuzuordnen ist, kommt es daher entgegen der Auffassung des Klägers nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat deshalb zu Recht von der Einholung eines vom Kläger zu diesen Fragen beantragten Sachverständigengutachtens abgesehen. Ein Sachverständiger vermittelt dem Gericht ausschließlich Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen (BGH 18. März 1993 - IX ZR 198/92 - NJW 1993, 1796). Es gehört nicht zu seinen Aufgaben, Rechtsfragen zu beurteilen (vgl. etwa Schaub Arbeitsgerichtsverfahren 7. Aufl. § 38 Rn. 21 und 26). Das Landesarbeitsgericht hat es nicht als erforderlich angesehen, sich das für die Auslegung des Begriffs Schlagzeug notwendige Fachwissen durch einen Sachverständigen vermitteln zu lassen, weil es selbst über das nötige Fachwissen verfügte. Es hat auf die vom Kläger vorgelegte gutachterliche Stellungnahme von Prof. Lang und die herkömmliche Auffassung der beteiligten Verkehrskreise abgestellt und deshalb die Einholung eines Sachverständigengutachtens für überflüssig gehalten. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung stimmt mit der einschlägigen Fachliteratur überein. Was ein Sachverständiger mit Hilfe fachwissenschaftlicher Erkenntnisse zur Auslegung des Begriffs Schlagzeug weiter hätte beitragen können, ist nicht ersichtlich.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 91 a ZPO. Soweit die Revision des Klägers erfolglos war, hat er die durch das Rechtsmittel verursachten Kosten gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, waren dem Kläger gemäß § 91 a ZPO die entstandenen Kosten aufzuerlegen, weil die Klage insoweit teils unzulässig, teils unbegründet war.
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Hinsichtlich der begehrten Feststellung, nicht verpflichtet zu sein, den Beruf eines Geräuschespezialisten auszuüben, war die Klage bereits mangels hinreichender Bestimmtheit des Streitgegenstandes (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) unzulässig. Eine solche Feststellung hätte die Rechte und Pflichten der Parteien nicht abschließend geklärt, denn die Bezeichnung Geräuschespezialist hat keinen feststehenden, allgemeingültigen Inhalt. Eine hinreichende Bestimmung ergibt sich auch nicht aus dem in Bezug genommenen Schlüsselverzeichnis für die Angaben zur Tätigkeit bei den Meldungen zur Sozialversicherung. Dort ist das Berufsbild des Geräuschespezialisten nicht beschrieben. Im übrigen fehlte dem Feststellungsantrag insoweit auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse, da sich der Beklagte nicht des Rechts berühmt hat, vom Kläger die Berufstätigkeit eines Geräuschespezialisten verlangen zu können.
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Soweit der Kläger die Feststellung beantragt hatte, nicht verpflichtet zu sein, den Regenmacher zu bedienen, war die Klage zwar nach § 256 Abs. 2 ZPO als Zwischenfeststellungsklage zulässig, aber nicht begründet. Dies ergibt sich aus den Ausführungen zu 3 der Entscheidungsgründe.
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Dr. Peifer Dr. Armbrüster Gräfl
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Matiaske H. Markwat

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