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Bereitschaftsdienst als Arbeitszeit
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung zur Schicht- und Dienstplanung. Der Arbeitgeber ist ein Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes. Er betreibt im Landkreis Rottweil den Rettungsdienst. Im Januar 1996 schloß er mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung, in der Arbeitszeiten vorgesehen sind, die sich unter Einbeziehung von Bereitschaftsdienst auf mehr als 48 Stunden in der Woche belaufen. Der Betriebsrat hat die Feststellung begehrt, daß die Betriebsvereinbarung unwirksam sei. Eine Wochenarbeitszeit von mehr als 48 Stunden sei unzulässig. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben.

Die Sprungrechtsbeschwerde des Arbeitgebers hatte vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das deutsche Arbeitszeitgesetz läßt die streitige Arbeitszeitregelung zu. Allerdings begrenzt die EG-Arbeitszeitrichtlinie 93/104 vom 23. November 1993 die durchschnittliche Wochenarbeitszeit auf 48 Stunden. Auch ist Bereitschaftsdienst, während dessen die Arbeitnehmer in den Räumlichkeiten des Arbeitgebers anwesend sein müssen, im vollen zeitlichen Umfang Arbeitszeit im Sinne der Richtlinie. Dies hat der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 3. Oktober 2000 ("SIMAP" ;) im Zusammenhang mit dem Bereitschaftsdienst spanischer Ärzte entschieden. Dabei hat er nicht auf nationale oder berufsspezifische Besonderheiten abgestellt. Die Entscheidung ist deshalb auf andere Berufsgruppen und alle Mitgliedstaaten übertragbar, ohne daß es einer erneuten Anrufung des Europäischen Gerichtshofs bedürfte. Das deutsche Arbeitszeitgesetz genügt den Anforderungen der Richtlinie nicht. Es rechnet Zeiten des Bereitschaftsdienstes, in denen der Arbeitnehmer nicht tatsächlich arbeitet, der Ruhezeit zu. Eine andere, europarechtskonforme Auslegung des Arbeitszeitgesetzes ist nicht möglich. Bei einer einschränkungslosen Behandlung des Bereitschaftsdienstes als Arbeitszeit hätten verschiedene Vorschriften des Gesetzes (etwa § 5 Abs. 3 und § 7 Abs. 2 Nr. 1) keinen Anwendungsbereich mehr; sie würden nicht ausgelegt, sondern aufgehoben. Das ist den Gerichten verwehrt. Trotz ihrer Unvereinbarkeit mit den Vorgaben der Richtlinie sind die betreffenden Regelungen des Arbeitszeitgesetzes deshalb weiterhin anzuwenden. Eine EG-Richtlinie begründet Umsetzungspflichten für die Mitgliedstaaten; im Verhältnis zwischen privaten Arbeitsvertragsparteien ist sie nicht unmittelbar anwendbar. Etwas anderes kommt nur im Verhältnis zum staatlichen Arbeitgeber in Betracht. Ein solcher ist das Deutsche Rote Kreuz nicht.

Bundesarbeitsgericht, Beschluß vom 18. Februar 2003 - 1 ABR 2/02 - Arbeitsgericht Freiburg - Kammern Villingen-Schwenningen -, Beschluß vom 28. November 2001 - 12 BV 1/01 -

Hinweis:

In einem weiteren Verfahren hatte der Betriebsrat eines Krankenhauses einen Verstoß betrieblicher Arbeitszeitregelungen gegen die Richtlinie 93/104/EG geltend gemacht. Der Senat hat einen solchen Verstoß verneint, weil die angegriffenen Betriebsvereinbarungen bloße Rahmenregelungen für konkrete Dienstpläne enthalten und eine europarechtskonforme Umsetzung zulassen.

Bundesarbeitsgericht, Beschluß vom 18. Februar 2003 - 1 ABR 17/02 - Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluß vom 13. Februar 2002 - 8 TaBV 10/01 -

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