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Feuchtigkeitsschäden: Haftung eines Architekten als Sonderfachmann

BUNDESGERICHTSHOF

Az.: VII ZR 329/02

Urteil vom 10. Juli 2003

Vorinstanzen: Thüringer OLG in Jena, LG Erfurt

Leitsatz:

Beauftragt ein Bauherr in selbständigen Verträgen einen Architekten und einen Sonderfachmann (hier: Bodengutachter), so ist der Sonderfachmann regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn in dessen Vertragsverhältnis mit dem Architekten. Entsprechendes gilt für den Architekten im Vertragsverhältnis zwischen Bauherrn und Sonderfachmann.

Der Architekt muß die Fachkenntnisse aufweisen, die für die Durchführung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ein Architekt kann sich nicht darauf berufen, daß ihm an der Universität die für die Erfüllung der Aufgaben notwendigen Fachkenntnisse nicht vermittelt worden sind.

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Juli 2003 für Recht erkannt:

Die Revisionen des Beklagten zu 2 und der Beklagten zu 3 gegen das Urteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 21. August 2002 werden zurückgewiesen.

Die Beklagten tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Kläger verlangen vom Beklagten zu 2 als Baugrundgutachter und von der Beklagten zu 3 als Architektengesellschaft bürgerlichen Rechts Schadensersatz wegen Feuchtigkeitsschäden.

Die Kläger beauftragten im Zuge der Errichtung eines Bürogebäudes die Beklagte zu 3 mit Leistungen der Phasen 1 bis 4 des § 15 Abs. 2 HOAI und teilweise mit solchen der Phasen 5 bis 8. Die Beklagte zu 1 war Generalunternehmerin. Der Beklagte zu 2 erstellte ein Baugrundgutachten. Der Umfang des ihm von den Klägern erteilten Auftrags ist streitig. Das Gutachten enthält einen Hinweis auf eine in einer Tiefe von 2,7 m liegende Schicht aus Tonstein. Ferner heißt es:

"Schwierigkeiten infolge Grundwassers sind nicht zu erwarten. Besonders sorgfältig sind jedoch die Arbeitsräume lagenweise zu verfüllen und zu verdichten, um das Eindringen von Niederschlagswasser und damit eine Durchfeuchtung der Kellerwände zu verhindern."

Eine Abdichtung des Kellermauerwerks gegen drückendes Wasser wurde weder geplant noch ausgeführt. Nach Fertigstellung des Gebäudes kam es nach starken Regenfällen zu zwei Wassereinbrüchen im Keller. Die Kläger leiteten ein selbständiges Beweisverfahren ein. Der Sachverständige führte die Wassereinbrüche auf die fehlende Abdichtung des Kellermauerwerks gegen drückendes Wasser zurück.

Hinsichtlich der Beklagten zu 1 ist das Verfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen. Hinsichtlich der Beklagten zu 2 und 3 hat das Landgericht die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufungen sind erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen. Es sei die rechtsgrundsätzliche Frage zu klären, ob der Bauherr, der Architekt und Sonderfachmann in Anspruch nimmt, sich jeweils das Verschulden des einen als seines Erfüllungsgehilfen im Verhältnis zum anderen gemäß §§ 254, 278 BGB anrechnen lassen müsse. Mit ihren Revisionen erstreben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revisionen sind unbegründet.

Die Beurteilung richtet sich nach dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Bürgerlichen Gesetzbuch (Art. 229 § 5 EGBGB).

A. Revision des Beklagten zu 2 I.

Das Berufungsgericht führt aus, den Klägern stehe gegen den Beklagten zu 2 ein Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB zu. Das Baugrundgutachten sei mangelhaft. Der dem Beklagten zu 2 erteilte Auftrag sei nicht auf die Beurteilung der Tragfähigkeit des Baugrundes beschränkt gewesen, sondern habe sämtliche Leistungen des § 92 Abs. 1 HOAI umfaßt. Der Beklagte zu 2 hätte daher darauf hinweisen müssen, daß aufgrund des tonigen/bindigen Baugrundes auf der Gründungsebene des Kellers Schichtenwasser oder anstauendes Niederschlagswasser mit Sicherheit zu zeitweise drückendem Wasser führen werde und deshalb entsprechende Abdichtungsmaßnahmen notwendig seien. Dieses Versäumnis sei ursächlich für den eingetretenen Schaden und vom Beklagten zu 2 zu vertreten. Die Kläger müßten sich kein Mitverschulden der Beklagten zu 3 anrechnen lassen. Denn diese sei nicht Erfüllungsgehilfin der Kläger in deren Vertragsverhältnis zum Beklagten zu 2.

Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.

1. Die Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).

2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen des § 635 BGB vor.

a) Die Ansicht des Berufungsgerichts, das Werk des Beklagten zu 2 sei mangelhaft, weil er von ihm geschuldete Hinweise auf notwendige Abdichtungsmaßnahmen gegen drückendes Wasser nicht gegeben habe, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Revision zeigt keine Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten zu 2 auf.

aa) Das Berufungsgericht bestimmt den Umfang des dem Beklagten zu 2 erteilten Auftrags durch Auslegung von Angebot und Annahme. Es entnimmt ihn entgegen der Ansicht der Revision nicht unmittelbar dem § 92 Abs. 1 HOAI. Es hat nicht verkannt, daß die HOAI öffentliches Preisrecht enthält und keine normativen Leitbilder für den Inhalt von Architekten- und Ingenieurverträgen (vgl. BGH, Urteile vom 24. Oktober 1996 - VII ZR 283/95, BGHZ 133, 399, 402 und vom 22. Oktober 1998 -VII ZR 91/97, BauR 1999, 187, 188 = ZfBR 1999, 92).

bb) Unbegründet ist die Rüge, das Berufungsgericht lege den Vertrag fehlerhaft dahin aus, daß der Beklagte zu 2 alle in § 92 Abs. 1 HOAI genannten Leistungen zu erbringen und daher auch Hinweise zur Trockenhaltung des Bauwerks zu geben hatte. Diese in der Revision nur eingeschränkt nachprüfbare tatrichterliche Auslegung ist möglich. Ohne Rechtsfehler durfte das Berufungsgericht bei der Auslegung insbesondere berücksichtigen, daß der Beklagte zu 2 in seinem Gutachten tatsächlich Hinweise zu Grund- und Niederschlagswasser gegeben hat und daß er in seinem Angebot und seiner Rechnung sein Honorar nicht gemäß § 92 Abs. 4 HOAI auf Teilleistungen beschränkt, sondern gemäß § 92 Abs. 2 HOAI in Verbindung mit der Honorartafel in § 94 HOAI den vollen Satz verrechnet hat.

cc) Zutreffend stellt das Berufungsgericht weiter fest, daß der Beklagte zu 2 die von ihm geschuldeten Hinweise zur Trockenhaltung des Bauwerks nur unvollständig gegeben hat. Er hat nicht darauf hingewiesen, daß wegen des von ihm festgestellten tonigen Bodens auf der Gründungsebene des Kellers Schichten- und Niederschlagswasser zu zeitweise drückendem Wasser führen mußte. Zudem war die Empfehlung, die Arbeitsräume besonders sorgfältig zu verfüllen und zu verdichten, unzureichend. Der Sachverständige hat ausgeführt, daß durch diese Maßnahmen das Eindringen von Niederschlagswasser nicht verhindert werden kann.

b) Dieser vom Beklagten zu 2 zu vertretende Mangel seines Werks war ursächlich für den eingetretenen Schaden. Für die Ansicht der Revision, aus den Feststellungen des Berufungsgerichts folge, daß auch bei einem ausdrücklichen Hinweis auf die Gefahr drückenden Wassers entsprechende Abdichtungsmaßnahmen unterblieben wären, fehlt jeder Anhaltspunkt.

3. Ein Mitverschulden der Beklagten zu 3 müssen sich die Kläger nicht zurechnen lassen. Das käme gemäß §§ 254, 278 BGB nur dann in Betracht, wenn sich die Kläger der Beklagten zu 3 zur Erfüllung von gegenüber dem Beklagten zu 2 bestehenden Verbindlichkeiten bedient hätten. Das ist nicht der Fall. Die Kläger schuldeten dem Beklagten zu 2 weder die Planung einer Abdichtung gegen drückendes Wasser noch eine Überprüfung des Gutachtens.

B. Revision der Beklagten zu 3 I.

Das Berufungsgericht bejaht eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 3 nach § 635 BGB. Die von der Beklagten zu 1 erstellte und von der Beklagten zu 3 zu prüfende Baubeschreibung sei mangelhaft gewesen. Unter Punkt 3.3 sei ausgeführt, daß gemäß Bodengutachten eine Drainage nicht erforderlich sei. Hinweise zur Gebäudeabdichtung fehlten völlig. Im Rahmen der Leistungsphase 5 habe für die Beklagte zu 3 wegen der aus dem Bodengutachten zu ersehenden Bodenverhältnisse ein "Planungszwang" hinsichtlich einer ausreichenden Abdichtung bestanden. Im Rahmen der Leistungsphase 8 hätte sich die Beklagte zu 3 Gewißheit über eine ordnungsgemäße Abdichtung verschaffen müssen. Diese von ihr zu vertretenden Versäumnisse seien ursächlich für den eingetretenen Schaden. Zwar habe die Beklagte zu 1 die Zisterne, die bestimmt gewesen sei, das Regenwasser vom Dach aufzunehmen, fehlerhaft erstellt. Dieser Umstand habe das Problem des drückenden Wassers aber nur unwesentlich vergrößert. Ein Verschulden des Beklagten zu 2 müßten sich die Kläger nicht zurechnen lassen. Der Beklagte zu 2 und die Beklagte zu 3 hafteten als Gesamtschuldner.

Das hält der rechtlichen Überprüfung stand.

1. Der Senat hat die Verfahrensrügen aus den §§ 286, 412 ZPO geprüft und nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).

2. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen des § 635 BGB vor.

a) Das Werk der Beklagten zu 3 war schon deshalb mangelhaft, weil das vom Berufungsgericht als Baubeschreibung bezeichnete Generalunternehmerleistungsverzeichnis trotz der Gefahr zeitweise drückenden Wassers sich zu Abdichtungsmaßnahmen nicht äußerte, vielmehr eine Drainage als entbehrlich bezeichnete. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wurde dieses Leistungsverzeichnis von der Beklagten zu 1 erstellt und war von der Beklagten zu 3 zu überprüfen. Hierzu gehörte jedenfalls die Überprüfung, ob die dem Leistungsverzeichnis zugrundeliegende Planung keine grundlegenden Mängel hinsichtlich der Abdichtung aufwies. In diesem Fall besteht der Werkmangel darin, daß die Beklagte zu 3 ihre Prüfungspflicht verletzt hat. Aus dem vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Sachvortrag ergibt sich außerdem, daß sie selbst das fehlerhafte Leistungsverzeichnis erstellt hat.

b) Der Mangel war ursächlich für den eingetretenen Schaden. Die Ansicht des sachverständig beratenen Berufungsgerichts, die wegen der fehlerhaften Zisterne zusätzlich in den Boden gelangten Regenmengen hätten keine wesentliche Rolle gespielt, ist nicht zu beanstanden. Die Revision versucht erfolglos, diese Wertung durch ihre eigene zu ersetzen.

c) Die Beklagte zu 3 hat ihre Pflichtverletzung zu vertreten. Das Berufungsgericht stellt rechtsfehlerfrei fest, daß ein Architekt aufgrund seines allgemeinen Kenntnis- und Erfahrungsstandes bei den im Baugrundgutachten beschriebenen Bodenverhältnissen mit drückendem Wasser rechnen muß. Daß der Gesellschafter W. der Beklagten zu 3 vor Jahrzehnten nicht in den Fächern Bodengeologie und Bodenkunde geprüft wurde, ist entgegen der Ansicht der Revision unerheblich. Die Anforderungen an die Fachkenntnisse des Architekten richten sich nicht allein danach, welche Ausbildung der Architekt an der Universität erfahren hat. Vielmehr muß der Architekt die Fachkenntnisse aufweisen, die für die Durchführung seiner Aufgaben erforderlich sind. Ein Architekt kann sich nicht darauf berufen, daß ihm an der Universität die für die Erfüllung der Aufgaben notwendigen Fachkenntnisse nicht vermittelt worden sind.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung durch Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten ausreichend begründet. Der von der Revision gerügte Verstoß gegen § 547 Nr. 6 ZPO liegt nicht vor.

3. Die Kläger müssen sich das Verschulden der Beklagten zu 1 und des Beklagten zu 2 nicht zurechnen lassen.

a) Die Kläger waren der Beklagten zu 3 gegenüber nicht verpflichtet, für eine ordnungsgemäße Beschaffenheit der Zisterne und ihres Überlaufs zu sorgen. Woraus sich eine solche Verpflichtung ergeben soll, legt die Revision nicht dar.

b) Der Beklagte zu 2 ist nicht Erfüllungsgehilfe der Kläger in ihrem Vertragsverhältnis zu der Beklagten zu 3.

Der vom Bauherrn beauftragte Sonderfachmann ist regelmäßig nicht Erfüllungsgehilfe des Bauherrn in dessen Vertragsverhältnis zum Architekten. Schließt der Bauherr mit beiden selbständige Verträge ab, haftet jeder von beiden nur für die Erfüllung der von ihm in seinem Vertrag übernommenen Verpflichtungen (vgl. BGH, Urteile vom 4. März 1971 -VII ZR 204/69, BauR 1971, 265, 267, 269 und vom 4. Juli 2002 -VII ZR 66/01, BauR 2002, 1719, 1720 = ZfBR 2002, 786 = NZBau 2002, 616). Ob der Sonderfachmann ausnahmsweise als Erfüllungsgehilfe des Bauherrn gehandelt hat, ist jeweils im Einzelfall anhand der konkreten vertraglichen Beziehungen zwischen den Beteiligten zu beurteilen.

Danach war der Beklagte zu 2 nicht Erfüllungsgehilfe der Kläger in ihrem Vertragsverhältnis zu der Beklagten zu 3. Er war von den Klägern durch selbständigen Vertrag mit der Erstellung des Baugrundgutachtens beauftragt worden. Im Rahmen dieser Vertragsbeziehung wurde er tätig. Allein der Umstand, daß sein Gutachten Hinweise zur Trockenhaltung des Bauwerks enthalten mußte und daher für die Abdichtung des Kellermauerwerks von Bedeutung war, führt zu keiner anderen Beurteilung.

4. Der Beklagte zu 2 und die Beklagte zu 3 haften als Gesamtschuldner (vgl. BGH, Urteil vom 4. März 1971 -VII ZR 204/69 aaO).

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 100 Abs. 4 ZPO.

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